Liebe Leserin, lieber Leser,
was für grausige Wochen an den Finanzmärkten. Der russische Krieg in der Ukraine erhöht die globalen Rezessionssorgen, stark gestiegene Inflationsraten und restriktive Zentralbanken schüren die Angst vor kräftigen Zinserhöhungen. Gestörte Lieferketten und Lockdowns in China blockieren die Verfügbarkeit von Waren aller Art. Wie schlimm wird die Krise für die Weltwirtschaft? titelt das Handelsblatt in seiner Wochenendausgabe.
Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos zeichnete der 91-jährige George Soros sein Bild von der Bedrohung der Demokratie. Im Kampf gegen die totalitäre Bedrohung aus Russland und China müsse die Klimakrise und die Pandemie zurückstehen. Das Treffen der Wirtschaftselite in Davos steht seit jeher für die Ökonomisierung und wirtschaftliches Wachstumsstreben. Nun geht es dort um die Politisierung des Ökonomischen, da Russland mit seinem Überfall auf die Ukraine die Weltordnung durcheinanderbringt. Der Krieg heizt die globale Inflation an und schwächt die Konjunktur. Für die Menschen in den Industriestaaten macht der Preisanstieg vor allem das Tanken und Heizen teurer. In den Schwellen- und Entwicklungsländern bedrohen steigende Lebensmittelpreise das Leben von Millionen. Es sind vor allem die Menschen im globalen Süden, die nicht mehr wissen, wie sie ihre nächste Mahlzeit bezahlen sollen. Dies ist eine menschliche Tragödie.
Die Notenbanken versuchen sich an einem Balanceakt zwischen Inflationsbekämpfung und Rezessionsvermeidung – derweil steigt die Staatsverschuldung in vielen Volkswirtschaften immer weiter. Ein deutlicher Zinsanstieg könnte Schuldenstaaten wie Italien in die Zahlungsunfähigkeit treiben und die Euro-Krise zurückbringen.
Mehrere miteinander verbundene Krisen sind Gift für die Finanzmärkte. Egal ob Stagflation oder Rezession als Folge dieser Gemengelage: Das Wachstum geht zurück, die Inflation bleibt hoch. Wie sollen die Notenbanken diesen Spagat bewältigen und die richtige Dosis finden, um die Wirtschaft zurück auf einen Wachstumskurs zu führen? Die Preissteigerungen müssten die Notenbanken eigentlich mit deutlich höheren Zinsen bekämpfen, um die Nachfrage zu dämpfen. Die Wachstumsschwäche verlangt gleichzeitig nach niedrigeren Zinsen, um die Nachfrage anzukurbeln. Ein weiteres Dilemma: Nach jahrelangem Schuldenexzess fehlen jetzt die Reserven, um das Wachstum zu befeuern.
Die Kurse von Anleihen und Aktien fahren seit Monaten Achterbahn. Mit kleinen Erholungen geht es insgesamt ziemlich steil abwärts. Seit Jahresanfang hatte der DAX zwischenzeitlich 13% verloren, der US-Leitindex S&P 500 fast 20% und die Technologiebörse Nasdaq um 27 %. Seltene Erholungstage könnten sich als „Bullenfallen“ im Bärenmarkt herausstellen und den zu früh mutigen Käufer bestrafen. Vergleichen wir mit den Crashs im Jahr 2001 und 2008, unterscheidet sich die Lage durch robustere Unternehmensbilanzen, besonnenes Handeln der Investoren und die reichlich vorhandene Liquidität. Schließlich nimmt mit jedem weiteren schwachen Börsentag die Wahrscheinlichkeit einer möglichen Trendumkehr zu. Irgendwann sind mal alle zittrigen Hände aus dem Markt rausgegangen.
Die Sorge vor einer Rezession und einer dauerhaft hohen Inflation sind derzeit an den Börsen die dominierenden Stimmungstöter. Industrie und Private Haushalte müssen sich auf massiv steigende Kosten für Energie und Wareneinkäufe einstellen. In der Folge ziehen Verbraucher die Köpfe ein und sparen bei den Ausgaben. Dies ist einerseits verständlich, andererseits brauchen wir – und vor allem die USA – einen lebhaften Konsum zur Stärkung der Wirtschaft.
Kauf- und Investitionszurückhaltung wird dazu führen, dass die Preise möglicherweise schon bald Ihren Zenit überschritten haben und in der Folge die Inflation zurückgehen kann. Der Arbeitsmarkt in Europa und in den USA befindet sich in einem robusten Zustand, es mangelt jedoch an Arbeitskräften in vielen Bereichen.
Aktien und Anleihen stehen seit Monaten unter Abgabedruck. Seit einigen Tagen scheint sich jedoch ein Boden zu bilden. Die Chancen für eine weitere Erholung sind gar nicht so schlecht, sind doch die DAX-Werte mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwa 12 durchaus günstig bewertet. Die langen Renditen sind zuletzt sogar wieder etwas zurückgekommen und die Geldmarktzinsen eh so niedrig wie zuvor. Auch in den USA hellt sich das Umfeld leicht auf: Nach acht Minus-Wochen in Folge erzielte der Dow Jones erstmals ein Wochenplus. Die US-Notenbank will mit der geldpolitischen Straffung nicht überziehen und in der Eurozone ist eine Leitzinserhöhung erst für Ende Juli eingeplant.
Ein vorsichtiger Hoffnungsschimmer könnte auch durch eine Entspannung auf der Inflationsseite unterstützt werden. So sind die Gaspreise wieder etwas gefallen und die Öffnung in Shanghai verringert die Lieferkettenprobleme.
Der Optimismus an den Börsen bleibt zunächst ein sehr zartes Pflänzchen. Zu dominant sind die Gefahren auf dem Weg zur Stabilisierung. In den nächsten Wochen und vielleicht auch Monaten kann es immer wieder mal ungemütlich werden. Alles andere wäre zu blauäugig. Gute Qualitätsaktien sind inzwischen deutlich preiswerter geworden, daher können sich Zukäufe an schwachen Tagen langfristig lohnen.
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Maneris AG